Videobasierte 2D Ganganalyse erklärt: Biomechanik im Fokus

2D Ganganalyse mit Patient und Analyst

Die biomechanischen Aspekte der dynamischen Ganganalyse

Beim Gehen wird der Körper durch ein sich wiederholendes Bewegungsmuster der Extremitäten vorwärts bewegt und gleichzeitig die Standfestigkeit gewahrt. Hierbei findet ein komplexes Zusammenspiel des Gleichgewichts und der Koordination sowie der Funktion der Muskulatur und der Gelenkbeweglichkeit statt.

Primär erfolgt eine Untergliederung in die verschiedenen Phasen des Gangzyklus, einschließlich des Aufsetzens des Fußes, des Abrollens, des Abdrückens und des Schwungs. Ein Gangzyklus entspricht einem Doppelschritt. Als Gangphasen werden die Stand- und die Schwungphasen bezeichnet. Die Standphase beschreibt den Zeitraum vom ersten Bodenkontakt eines Fußes bis zum Ablösen desselben Fußes vom Boden. Wobei die Schwungphase der Zeitabschnitt ist, indem der Fuß vom Boden abhebt und die Bewegung nach vorne beginnt. Die Standphase nimmt in der Regel 60 % der Zeitspanne eines Doppelschrittes ein, während die Schwungphase 40 % der Zeitspanne eines Doppelschrittes ausmacht. Durch die detaillierte Analyse dieser Phasen kann festgestellt werden, ob der Bewegungsablauf des Ganges normal ist oder Anomalien aufweist.

Standphase und Schwungphase im Gangzyklus

Bei der Ganganalyse wird zwischen der instrumentellen (objektiven) Ganganalyse und der subjektiven (beobachteten) Ganganalyse auf Basis der Wahrnehmung des Analysten unterschieden.

Grundsätzlich wird bei der objektiven Analyse der Gang anhand von drei Messbereichen untersucht: 
  • Die Kinematik definiert den Umfang und zeitlichen Ablauf jeglicher Gelenkbewegung, die eine große Rolle bei der Ganganalyse spielt. Jedes Gelenk im Körper hat eine spezifische Bewegungsfreiheit und eine bestimmte Funktionsweise. Durch die Überprüfung der Gelenkbewegungen während des Gehens können mögliche Probleme wie Steifheit, Instabilität oder eingeschränkte Beweglichkeit identifiziert werden.
  • Die Kinetik beschäftigt sich mit den auf den Körper wirkenden Kräften. Beim Gehen werden verschiedene Kräfte erzeugt, die auf die Gelenke, Muskeln und Knochen wirken. Durch die Messung dieser Kräfte kann festgestellt werden, ob der Körper einer übermäßigen Belastung ausgesetzt ist oder ob bestimmte Bereiche des Körpers einer erhöhten Belastung ausgesetzt sind. Die Messung erfolgt durch Kraftmessplatten (z. B. von AMTI), oder Druckmessplatten (z. B. von Zebris) welche in der Gangstrecke eingebettet werden. 
  • Die dynamische Elektromyographie (EMG) zeichnet den Zeitraum und die relative Intensität der Muskelaktivität auf. Hierbei wird bestimmt, welche Muskeln zu welchen Zeitpunkten während des Gangzyklus aktiviert werden und wie intensiv diese Aktivierung ist. Die Verwendung von Oberflächenelektroden (z. B. von COMETA) bieten unmittelbare Rückmeldung über die Muskelaktivität und liefern spezifische Informationen über die Funktion einzelner Muskeln während des Gehens. 

Durch die Analyse dieser Aspekte kann ein besseres Verständnis für die Bewegungsmuster beim Gehen gewonnen und potenzielle Probleme oder Abweichungen identifiziert werden. Hierfür benötigt es jedoch ein grundlegendes Verständnis der Messbereiche. Darüber hinaus wird ein passendes System benötigt. Hierbei kann beispielsweise mit der Ganganalyse von CONTEMPLAS Schrittlänge, Gehgeschwindigkeit, Schrittfrequenz, Gelenkwinkel, Kräfte, Druckverteilung und Muskelaktivität einfach gemessen und ausgewertet werden.

Bei der subjektiven Ganganalyse wird der Gang auf Basis der Wahrnehmung des Untersuchers analysiert:

Hierbei spielen subjektive Eindrücke und Beobachtungen eine wichtige Rolle, um mögliche Abweichungen im Gangmuster zu erkennen. Der Analyst beobachtet die Bewegungen des Patienten, achtet auf Symmetrie, Rhythmus und eventuelle Auffälligkeiten im Gangbild. Der Beobachtungsprozess kann durch ein vorgegebenes Analyseschema vereinfacht werden. Durch diese subjektive Beurteilung können erste Hinweise auf mögliche Probleme oder Einschränkungen im Gangbild erkannt werden, die dann im Rahmen der objektiven Ganganalyse genauer untersucht werden können. Die subjektive Ganganalyse ergänzt somit die instrumentelle Untersuchung und ermöglicht eine umfassende Beurteilung des Gangbildes. 

Die Bedeutung der video-basierten Ganganalyse

Ganz allgemein ist die Ganganalyse ein diagnostisches Verfahren, das dazu dient, detaillierte Einblicke in das Bewegungsmuster einer Person zu gewinnen und darauf aufbauend gezielte therapeutische oder präventive Maßnahmen zu ergreifen. Hierbei spielen Videoaufnahmen ein essentiell wichtiges Instrument, um Bewegungsabläufe beim Gehen zu visualisieren und wiederzugeben. Durch die Aufnahme des Ganges mit Hilfe von Kameras können detaillierte Informationen über die Bewegungen des gesamten Körpers (Kopf, Rumpf, Arme und Beine) erhalten werden. Durch technologische Innovationen ist es möglich, sowohl eine qualitative Analyse als auch eine quantitative Auswertung der Daten durchzuführen. Durch eine videobasierte Software (z. B. TEMPLO® von CONTEMPLAS) werden die Daten aufgezeichnet, weiterverarbeitet und graphisch dargestellt. Bewegungsabläufe können nun framegenau analysiert werden. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Schritt und jede Bewegung im Detail betrachtet werden können. Dadurch können potenzielle Abweichungen oder Anomalien identifiziert werden, die mit bloßem Auge möglicherweise nicht erkennbar sind. Es wird empfohlen, den Gang immer aus mindestens zwei Perspektiven aufzunehmen: frontal und lateral. Die Videoaufzeichnung bildet stets die Basis für eine umfassende Ganganalyse.

Wo findet die video-basierte Ganganalyse Anwendung?

Die video-basierte Ganganalyse wird in verschiedenen Bereichen eingesetzt, wie der Sportmedizin, Rehabilitation und Sanitätshäuser. Sie ermöglicht es, Bewegungsabläufe zu verstehen, Probleme zu identifizieren und gezielte Behandlungspläne zu entwickeln, um das Gangbild zu verbessern und Verletzungen vorzubeugen.

Anwendungsbeispiele in der Rehabilitation

Die Ganganalyse hat zahlreiche Anwendungen in der Rehabilitation. Sie kann dazu beitragen, Bewegungsdefizite zu identifizieren und gezielte Behandlungspläne zu entwickeln.

  • In der neurologischen Rehabilitation wird die Ganganalyse häufig eingesetzt, um Gangstörungen bei Patienten mit Schlaganfall, Parkinson-Krankheit oder Multipler Sklerose zu untersuchen. Durch die Analyse des Gangbildes können potenzielle Probleme identifiziert und gezielte Therapien, wie Gangschulungen oder die Anpassung von Gehhilfen entwickelt werden.
  • Auch in der orthopädischen Rehabilitation spielt die Ganganalyse eine wichtige Rolle. Sie kann dazu beitragen, Bewegungsdefizite nach Verletzungen oder Operationen zu identifizieren und gezielte Behandlungspläne zu entwickeln. Durch die Analyse des Gangbildes kann festgestellt werden, ob der Bewegungsablauf des Ganges unauffällig ist oder ob Anomalien auftreten, die eine weitere Behandlung erfordern.
    Beispiel: Die postoperative Rehabilitation nach Knie- oder Hüftgelenkersatz, bei der die Ganganalyse hilft, den Heilungsprozess zu überwachen und die Belastungsverteilung auf das operierte Gelenk zu optimieren.
  • Darüber hinaus wird die Ganganalyse auch bei der Entwicklung von Prothesen und orthopädischen Hilfsmitteln eingesetzt. Durch die Analyse des Gangbildes von Patienten mit Amputationen oder anderen Beeinträchtigungen können die Funktionalität und Passform von Prothesen und Hilfsmitteln verbessern. 
    Beispiel: Die Ganganalyse ermöglicht die Anpassung von orthopädischen Schuh- und Einlageversorgung sowie von Prothesenkomponenten, um eine symmetrische Gewichtsverteilung und einen natürlicheren Gang zu erreichen.
  • In der Kinderrehabilitation kann die Ganganalyse genutzt werden, um Entwicklungsstörungen oder angeborene Fehlbildungen frühzeitig zu erkennen. Durch kontinuierliches Monitoring können gezielte therapeutische Maßnahmen entwickelt werden, die die motorische Entwicklung unterstützen und die Mobilität verbessern. 
    Beispiel: Die Behandlung von Kindern mit Zerebralparese, bei der die Ganganalyse verwendet wird, um individuelle Behandlungspläne zu erstellen und den Erfolg von Interventionen oder physiotherapeutischen Übungen zu evaluieren.

Insgesamt hat die Ganganalyse in der Rehabilitation das Potenzial, den Behandlungsprozess zu verbessern und die Ergebnisse für Patienten zu optimieren. Durch die genaue Untersuchung des Gangbildes können gezielte Therapien entwickelt und Fortschritt im Laufe der Zeit verfolgt werden. Dies ermöglicht eine personalisierte und effiziente Therapieplanung, die auf die individuellen Bedürfnisse jedes Patienten abgestimmt ist.

"Durch den Einsatz mehrerer Kameras in Kombination mit der Druckverteilungsmessung und EMG können Gelenkbelastungen analysiert und interpretiert werden."

Klinische Ganganalyse - Spital Speising

Technologische Fortschritte in der Ganganalyse

Die Ganganalyse hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, dank neuer Technologien und Methoden. Insgesamt ermöglichen technologische Fortschritte in der Ganganalyse eine noch genauere und umfassendere Untersuchung des Ganges. 

Eine der wichtigsten Entwicklungen ist die Verwendung von markerlosem Tracking während des Gehens. Durch die Verwendung von Algorithmen und maschinellem Lernen können Bewegungsabläufe automatisch erkannt und analysiert werden. Dadurch ergibt sich eine objektive und effiziente Analyse, ohne aufwendiges und subjektives Anbringen von Markern.

Der technische Fortschritt der 3D-Bewegungsanalyse (z. B. von Theia) hat auch Auswirkungen auf die Ganganalyse. Diese Systeme erfassen Bewegungen in drei Dimensionen und ermöglichen eine detaillierte Analyse des Gangbildes. Empfohlen wird der Einsatz von mindestens acht Kameras, um ein umfassendes Bild des Bewegungsablaufs beim Gehen zu gewinnen.

Ein vielversprechender Trend ist die vermehrte Integration von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in der Ganganalyse. Durch den Einsatz von Algorithmen und neuronalen Netzwerken können Bewegungsabläufe automatisch erkannt, analysiert und interpretiert werden. Dadurch ist es möglich, schneller und effizienter Ergebnisse zu erzielen und präzisere Behandlungspläne zu entwickeln.

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